Eröffnungsvortrag – “Absatz, Boa und Zylinder”
einglänzender Pelzmuff und der passende Pelzkragen – ländlicher Chic
in Franken. Derart ausstaffiert ging Elisabeth Meier, die Gattin
eines Postboten, in der Zeit um 1900 sonntags zur Kirche. Ihr Mann trug,
wenner an hohen Feiertagen zum Abendmahl ging, seinen Abendmahlsrock
mit Zylinder. Das war der schwarze Gehrock, den er zur Hochzeit
angeschafft hatte und dann bis an sein Lebensende zum Kirchgang trug.
    Diese Kleidungsstücke und viele andere von Elisabeth und Stefan Meier haben
    sich nur erhalten, weil die Tochter sie zu Kinderkleidung umarbeiten wollte.
    Und dann wurden sie vergessen. Einer unserer Museumszimmerleute brachte sie
    ins Museum. Er erzählte: „Na, wir spielen ja auch Theater, wir haben die
    Sachen probiert, aber uns war alles zu klein.“ Für uns stellt es eine kleine
    Sensation dar, daß sich eine annähernd komplette Garderobe einfacherer Leute
    aus der Zeit um 1900 erhalten hat. Um sie herum haben wir die Ausstellung
    gruppiert.
    Zuerst war ich eher entsetzt als ich die Teile der Meierschen Garderobe aus
    zwei unscheinbaren Kartons herausholte. Dort waren sie hineingestopft und
    dementsprechend zerknittert. Doch bei näherer Betrachtung stellte sich
    heraus, daß es sich oft um komplette Ensembles von zusammengehörigem Rock
    und Oberteil mit Gürtel handelte. Kein Teile verzichtet auf Dekor: nur mit
    Biesen, oft mit Spitzen und Borten.Modisch Accessoires wir Hütchen oder
    Muff, Fellkrägen und –boas ergänzten den Bestand. Frau Meier gab sich
    modisch. Gleichzeitig unterschieden sich aber die Röcke nicht von
    Trachtenröcken: Sie bestehen aus geraden Stoffbahnen, sind im Bund angereiht
    und vorne flache, um darüber eine Schürze zu tragen. Modische Röcke wären
    in Bahnen geschnitten gewesen und enger. Frau Meier hat
    traditionelle Kleidungsgewohnheiten beibehalten und sich doch gleichzeitig
    derzeitgenössischen Mode angepaßt. Sie ging im ländlichen Chic.
    Die meisten Stücke von Elisabeth Meier sind in schwarz und in
    dunklenFarben. Nach außen gab sie sich als ehrbare Protestantin
    sehr zurückhaltend. Doch daneben findet sich in ihrem Bestand aber auch
    ein lila Unterrock. Solch verborgenem Chic der Unterwäsche haben wir
    eine eigene Abteilung gewidmet. Auch die Frauen am Land versuchten
    –wenigstens am Sonntag – bürgerlicher Wäschepracht nachzueifern: Sie trugen
    Korsett und viel weiße Spitze.
    In einem „Fränkischen Spektrum“ stellen wir in einem weiteren Bereich die
    Spannweite möglicher Bekleidungsstile im ländlichen Franken um
    1900 nebeneinander: Einige richteten sich nach der herrschenden Mode.
    Einige trugen Tracht. Die Mehrzahl aber bevorzugte wie Elisabeth Meier
    eine Mischform, eine ländlich geprägte Variante der allgemeinen Mode.
    So konnte sich die Kleidungsweise von Region zu Region, aber auch innerhalb
    der gleichen Familie unterscheiden. Man erkennt etwa auf Familienfotos oft
    die Töchter, die in der Stadt als Dienstboten arbeiteten schon an ihrer
    etwas modischereren Kleidung.
    Revolutionär erschien den Zeitgenossen die Veränderung der Mode in
    den Zwanzigerjahren. Statt der früheren Kombination von eng sitzenden und mit
    Stäbchen versteiften Oberteilen mit langen Röcken, trugen die Frauen nun
    überwiegend einteilige, locker sackartig geschnittene Kleider und zeigten
    Bein. Wie es uns Frau Scheibenberger so schön besungen hat z.B. vom Fräulein
    Helen.
    Umrahmt wird unsere Ausstellung von vielfältigen Accessoires entlang der
    Wände: Hüte und Sonnenschirme für die Dame und natürlich Stock und Zylinder
    für die Herren bestimmten das modische Erscheinungsbild. Aber auch bei den
    Trachten entsteht das charakteristische Erscheinungsbild oft erst durch die
    verschiedenen Hauben: Etwa die schwarzen Zopfhauben, hier konnten die
    Trägerinnen, meint man, gar nicht genug von dem teuren schwarzen Moireband
    präsentieren.
    Der Anlaß sich mit besonders festlicher Kleidung zu schmücken aber war von
    jeher die Hochzeit. Hier stellen wir ein Paar mit einer schwarz gekleideten
    Braut einem Paar mit einer weißen Braut gegenüber. Erst seit den
    Zwanzigerjahren leisteten sich immer mehr Frauen ein spezielles weißes
    Brautkleid. Vorher trugen sie der schwarzen Mode entsprechend einfach ein
    besonders festliches – schwarzes Kleid.
    Nach einem Brautlied, das uns die Windsheimer Sänger vortragen, führen uns
    dann Nürnberger Landfrauen des Bayerischen Bauernverbandes unter Leitung von
    Frau Renate Höfler solche Kleider ihrer Vorfahren live vor.