Skip to main content

Romantische Landschaften. Grafiken von Johann Georg von Dillis und Zeitgenossen

Ausstellung im Neuen Stadtmuseum Landsberg Lech 11.7. – 1.8.2010

Johann Georg von Dillis: Ansicht von Wolfsegg, 1788, Bleistift , Feder, Aquarell

11.7.2010 Einführung zur Vernissage der Ausstellung
Begleitend zur Romantischen Musiknacht zeigt das Neue Stadtmuseum Landsberg
Lech vom 11.7. – 1.8.2010 eine Studioausstellung: „Romantische Landschaften.
Grafiken von Johann Georg von Dillis und Zeitgenossen“. Dillis ist einer der
großen Protagonisten der romantischen Kunst in Süddeutschland.

Romantik in der bildenden Kunst
In den Jahrzehnten um und nach 1800 war die Romantik in den
Ländern nördlich der Alpen, in Deutschland, in Frankreich und in England eine
Gegenströmung zur vorangegangenen Epoche der Aufklärung. Die Romantik richtete
sich gegen den Klassizismus mit seiner alleinigen Ausrichtung an der Antike.
Die Romantiker sahen entgegen der alleinigen Verstandesorientierung der
Aufklärung mehr in der Empfindsamkeit und Gefühlsfähigkeit des Menschen, in
seiner Verwobenheit mit der Natur und dem dort allgegenwärtigen Göttlichen, den
Schlüssel zum Verständnis der veränderten Welt.

Die bildenden Künstler der Romantik entdeckten die Landschaft als
Motiv
 neu. Der Künstler Phillipp Otto Runge schreibt in einem Brief an
seinen Bruder vom Februar 1802: „es drängte alles zur Landschaft“ und „in
diesem Fach müsse auch ein höchster Punkt zu erreichen sein“ (zitiert nach
Heilmann, S. 13). Bis dahin war die Landschaftsmalerei ein ganz untergeordnetes
Fach. Angesagt waren große Historiengemälde. Romantische Sehnsüchte suchten das
ursprüngliche und unverfälschte Leben in der Natur und im naturnahen
Volksleben.

Um 1800 – eine Zeit politischer und gesellschaftlicher
Umwälzungen

Die Zeit um 1800 war eine Zeit großer politischer und gesellschaftlicher
Umwälzungen. Die Aufklärung brachte in Bayern eine völlige
Neuorganisation des Staates: Aus vielen einzelnen Herrschaftsbereichen wurde
ein geschlossener Flächenstaat, zentralistisch von München aus regiert. Vor
dieser Staatsbildung des Königreiches Bayern war die Stadt Landsberg am Lech
dem bayerischen Herzog unterstellt und grenzte an das Territorium des Klosters
Wessobrunn. Im benachbarten Schwaben bestanden die freien Reichsstädte als
eigenständige Herrschaftsbereiche.

1803 säkularisierte man die Klöster, die jahrhunderte lang das geistliche
Leben Bayerns geprägt hatten. Der Orden der Jesuiten wurde schon 1773, einige
Jahrzehnte früher, aufgelöst. Von Staats wegen wurden vieler Ausdrucksformen
der Volksfrömmigkeit, wie Wallfahrten und Prozessionen verboten. Gleichzeitig
brachte die beginnende industrielle Revolution mit der Erfindung der Eisenbahn
umwälzende gesellschaftliche Veränderungen.

Diese Entwicklungen an der Jahrhundertwende führten zu einer geistigen
Verunsicherung. Hier setzt die Romantik als Suche nach neuer Orientierung ein.
Eine neue Hinwendung zu Religiösemwar zu beobachten. Innerkirchlich
stand Johann Michael Sailer, der hier in Landsberg bei den Jesuiten sein
Noviziat absolviert hatte, für Erneuerung mit einem direkten spirituellen Bezug
des Einzelnen auf das Evangelium. Bei Johann Michael Sailer, der eine Professur
in Ingolstadt innehatte, studierte Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig
I. von Bayern. Im Umfeld Ludwig I. bewegten sich viele der in unserer
Ausstellung gezeigten Künstler. Johann Georg von Dillis war der persönliche
Kunstberater des kunstbegeisterten Königs, Begleiter auf Reisen und
Galeriedirektor. König Ludwig I. förderte die Neugründung von Klöstern. Er
gestattete zwar nicht die Rückkehr des Jesuitenordens nach Landsberg, aber es
siedelte sich in Landsberg der Ordnen der Malteser mit der Aufgabe der
Krankenpflege an.

Empfindsamkeit wurde in der Romantik nicht nur in der Religion, sondern auch
in der Natur gesucht. Selbst in der kleinen Stadt Landsberg
wurde Natur ein Thema. Wie in der Landeshauptstadt München gründete man einen
Englischen Garten mit naturnaher Gartengestaltung. Graf Rumford, dem München
seinen Englischen Garten verdankt, regte Johann Georg von Dillis schon 1786 zum
Studium der Natur „in die interessantesten Gegenden baierischen Gebirges“ an.
So zeichnete Dillis 1790 er ein sehr expressives Blatt mit einem Blick auf den
Pilsen- und Ammersee, (das sich leider nicht im Besitz des Landsberger Museums
befindet).

In Süddeutschland gingen die katholisch orientierten Künstler einen eigenen
Weg. Sie wollten an den christlichen Mythos anknüpfen und ihn für ihre
Gegenwart erneuern. Sie bildeten die Gruppe der so
genannten Nazarener. Ihr Ideal war die Reinheit von Leben und
Kunst. Das sahen sie vor allem bei Raffael, Perugino, Dürer u.a. altdeutschen
Malern verwirklicht. Viele übersiedelten nach Rom. Nach Raffaels Vorbild trugen
sie lange Haare und einen altdeutschen Rock. Wegen ihrer christusähnlichen
langen Haare nannten die Römer spöttisch die Nazarener. Zu diesen Künstlern der
„Deutschrömer“ pflegte König Ludwig I. enge Kontakte. Auf seinen Besuchen in
Rom wurde der König von Johann Georg von Dillis begleitet. Von Dillis zeigt
unsere Ausstellung einundzwanzig Arbeiten. Aus dem Umkreis der Deutschrömer
sind zudem noch Werke von Friedrich Selathé, Heinrich Bürkel oder Carl Rottmann
in der Ausstellung vertreten.

 Heinrich Bürkel: Am Brunnen, Bleistift, Gouache

Johann Georg von Dillis (1759-1841)
Johann Georg von Dillis war einer der bedeutendste Zeichner des 19.
Jahrhunderts. Er wurde 1759 in der Nähe von Haag im ländlichen Oberbayern
geboren. Als Sohn eines kinderreichen Revierförsters stammte er aus einfachen
Verhältnissen. Schon früh wurde der bayerische Kurfürst auf den Knaben
aufmerksam und förderte dessen Ausbildung. Dillis absolvierte nach einem
Theologiestudium eine Ausbildung an der Zeichenakademie. Dann verdiente er
seinen Lebensunterhalt als Zeichenlehrer in Münchner Adelsfamilien. Es folgen
Reisen in die Schweiz, Österreich, Italien und Frankreich. 1790 wurde er zum
Inspektor der kurfürstlichen Gemäldegalerie ernannt. 1805-06 folgte ein
längerer Aufenthalt in Italien und auf der Rückreise mit Kronprinz Ludwig eine
Weiterreise nach Südfrankreich. 1808-14 war Dillis Professor für
Landschaftsmalerei an der Münchner Akademie. 1822 wurde er Direktor der
Zentralgemäldegalerie, dem Vorläufer der heutigen Bayerischen
Staatsgemäldesammlungen. 1834-35 unternahm er die Hängung der Alten Pinakothek,
die 1836 eröffnet wurde. Im Jahr 1841 starb Dillis in München, der bis zuletzt
aktiv war, im Alter von 81 Jahren „an Entkräftung“, wie es in den
zeitgenössischen Quellen heißt.

Das künstlerische Werk von Dillis ist neben seinen
amtlichen Tätigkeiten überwiegend frei und unabhängig von Aufträgen, Sammlern
und dem Kunstmarkt entstanden. Es sind großenteils private Studien, die vor
allem auf den zahlreichen Reisen nach Italien oder auf Wanderungen durch das
bayerische Alpenvorland entstanden sind. Die Bilder zeigen Landschaften und
Porträts oder einfacher Menschen im Alltag. Den größten Umfang aber haben in
seinem Werk rasch vor dem Motiv ausgeführte Skizzen, in denen er die zarten
Farbstimmungen und das sich ändernde Licht in der Natur festzuhalten versucht.
Dillis gehört damit zu den Wegbereitern der realistischen Landschaftsmalerei in
Deutschland.

Johann Georg von Dillis:"Lanschaft bei Dietramszell 1807", Kreide, Aquarell weiß gehöht auf grau-braunem Papier

Vor allem als Landschaftsmaler wurde Dillis von seinen
Zeitgenossen wahrgenommen. Als Johann Wolfgang von Goethe über Joseph Stieler
1828 einige Landschaften von Dillis zugeschickt erhielt, schrieb er an den
Übersender: „Herrn Inspector Dillis bitte für die mittgetheilten
Radierungen verpflichtet zu danken. Gerade solche kaum bedeutend scheinende
Gegenstände, glücklich aufgefasst und mit Geschmack wiedergegeben, setzten mich
in die angenehmste Empfindung; man gelangt zum Mitgefühl, wie der Künstler,
indem er sich mit dergleichen beschäftigte, einer wünschenswerten Gemüthsruhe
genossen und solche der Landschaft, dem Himmel, der Erde, Bäumen und
Baulichkeiten, nicht weniger dem Wasser mittzutheilen gewußt habe. Vielleicht
überliefert ein Poet nicht so unmittelbar seine inneren Zustände als der Maler,
der, ohne im mindesten daran zu denken, uns zu seinen Gesellen macht und die
Welt durch seine Augen und seinen Sinn anzusehen
nöthigt.“
 (Tagebücher, Bd. 11, S. 299, zitiert nach Hardtwig, S. 60)
Dillis selbst schrieb in sein Skizzenbuch als er viel mit Graf Rumford und
englischen Touristen zu tun hatte: „Nature ist but a name vor an
effect, whose cause ist God.“
 Der Begriff Natur bezeichnet nur den
optischen Eindruck, der in Gott seine Begründung hat.

Johann Georg von Dillis:"Ebersberg den 30. May 1835 im Dorfe gen Osten, Bleistift Aquarell

Seine Motive fand Dillis auf seinen ausgedehnten Reisen.
Südliche Sehnsuchtslandschaften oder auf dem Weg dorthin Ansichten des
Alpenübergangs von ihm und Zeitgenossen finden sich in der Ausstellung. Dillis
zeichnet sich besonders aus durch seine Zeichnungen der Umgebung. Er war oft in
der nahen Umgebung Münchens unterwegs. Von Amts wegen war er als
Galleriedirektor meist in der Stadt festgehalten und vermisste dort die
unmittelbare Begegnung mit der Natur. Dies kompensierte er mit häufigen
Spaziergängen oder Jagdausflügen. Im ausgestellten Bestand etwa gibt es gleich
zwei Ansichten von Schloss Harlaching bei München, ein Bauernhof im
Voralpenland oder eine Landschaft bei Dietramszell.

 Johann Georg von Dillis: Ansicht von Schloss Harlaching, braune Feder, Aquarell

In der Ausstellung finden sich Landschaften in verschiedenen
Techniken
: einige fertig ausgeführte Aquarelle, die anschließend mit der
Feder übergangen sind, wie z.B. die frühe Ansicht von Wolfsegg (siehe ganz
oben), die sehr detailgenau ausgearbeitet ist. Die Mehrheit der ausgestellten
Blätter aber sind eher locker bis skizzenhaft gezeichnet. Im Blatt
„Rinderherdenabtrieb Kichhofbüchel“ wird diese Kunst der Abstraktion in der
Andeutung der Skizze besonders deutlich. Mit ungeheurer Sicherheit der
Perspektive und Anatomie sind die Kühe gezeichnet. Einzeln betrachtet könnten
die Kühe auch von Franz Marc sein, derart modern erscheinen sie.

Johann Georg von Dillis: Bachlauf, braune Feder

Charakteristisch für Dillis sind die locker in Astgruppen komponierten Bäume
Bei der Betrachtung der Blätter habe ich mich daran erinnert, dass meine alte
Zeichenlehrerin Philomena Koch erzählte, sie habe von Dillis gelernt nicht die
Blätter zu zählen. Die originäre Landschaftszeichnugen von Dillis sind auch
als „Baumlandschaften“ definiert worden. Die Bäume erscheinen
individualisiert. Schön ist dies auch in der Ölskizze an der Stirnwand zu
sehen.

Anonym: Tanzpaar, Aquarell, Ende 18. Jhr

Dillis zeichnet einfache Menschen. Er sieht sie sich von der
Nähe an. Sie sind nicht mehr nur Staffagefiguren auf Veduten oder im
Landschaftsvordergrund. Dillis sieht sie sich real an – keine tanzenden Schäfer
zu Hirtenmusik als fest definierte Genregruppen wie noch das reizende Aquarell
aus dem 18. Jhr in der Ausstellung. Nein, Dillis zeichnet reale Bauern aus
unbeeindruckter Menschenbeobachtung. Hier Auffällig oft auch von hinten. Er ist
romantisches Kind seiner Zeit mit einem neuen Interesse am ursprünglichen
Volksleben.

Johann Georg von Dillis: Rastende Bauern auf dem Campo in Rom, Bleistift, Aquarell

Dillis Zeichenkunst im 19. Jahrhundert
Besonders interessant, finde ich, sind in der ausgestellten Sammlung die auf
den ersten Blick unscheinbar wirkenden Zeichnungen, die nicht perfekt
ausgeführt und farbig durchgestaltet sind. Im Skizzenhaften können wir den
Entstehungsprozess von Kunst mitverfolgen. Im Werk von Johann Georg von Dillis
finden sich Zeichnungen und Skizzenbücher in großer Zahl. Dem
vielbeschäftigten Galeriedirektor blieb oft nicht die Zeit seine Werke
auszuführen, aber er skizziert viel auf seinen Reisen.

Die Zeichnung als eine sehr private Form war nicht dazu bestimmt, der
Kunstöffentlichkeit vorgestellt zu werden. Hier zeigt sich ein intimerer Blick
des Künstlers. Dillis hat in seinen Zeichnungen in erster Linie Studienmaterial
gesehen. 200 Jahre lang blieben diese Zeichnungen der Öffentlichkeit verborgen.
Mit diesen Zeichnungen übte er seine technischen Fähigkeiten und vergewisserte
sich eines Formenschatzes alter Kunst.

 Johann Georg von Dillis: Landschaft, Ölskizze, Foto: Stephanie Irlen, Neues Stadtmuseum

Das 19. Jahrhundert trennte streng zwischen der privaten Ölsstudie und den
für den Markt gedachten Gemälden. Diesen Konventionen seiner Zeit war Dillis
verpflichtet. Gleichzeitig aber war er ungeheuer modern in seinem Werk, das er
– wirtschaftlich abgesichert als Beamter – weitgehend für sich privat schuf und
dabei die Flüchtigkeit des Augenblicks festhielt und den wechselnden
Konstellationen von Licht und Farbe in der Natur nachging. Mit seinen Ölskizzen
nahm er die spätere Freilichtmalerei, etwa der Schule von Barbizon, vorweg und
war damit für seine Zeit sehr modern.

Dr. Margarete Meggle-Freund

verwendete Literatur

  • Galerie Billesberger: Deutsche Zeichnungen 18. und 19. Jahrhundert.
    München 1999.
  • Hardtwig, Barbara: Johann Georg von Dillis (1559-1841)- Die Kunst
    des Privaten. Zeichnungen aus dem nachlass des Historischen Vereins
    von Oberbayern.
  • Hedinger, Barbra; Richter-Musso, Inés und Westheider, Ortrud:
    Wolkenbilder. Die Entdeckung des Himmels. (Katalog zur Ausstellung
    im Bucerius Kunst Forum Hamburg u.a.) München 2004.
  • Heilmann, Christoph (Hrsg.): .Deutsche Romantiker. Bildthemen der
    Zeit von 1800-1850. (Katalog zu einer Ausstellung in der Kunsthalle
    der Hypo-Kulturstiftung). München 1985. München 2004.
  • Scheffler, Gisela: Deutsche Künstler um Ludwig I. in Rom. (Katalog
    zur Ausstellung der Staatlichen graphischen Sammlung München in der
    Neuen Pinakothek). München 1981.
© Dr. Margarete Meggle-Freund
Kulturwissenschaftlerin
Impressum, Datenschutzerklärung