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Gugelhupf – Annäherung an ein barockes Kuchenrezept

Wissenschaftlicher Überblicksaufsatz [erschienen in der Zeitschrift „Franken unter einem Dach“, Zeitschrift für die fränkischen Freilandmuseen, Heft 44 (2022), S. 31-50] zur Geschichte des Gugelhupfs, der die verschiedenen Namen ableitet, die besondere Form erklärt, die Entwicklung des Rezept auf Basis einer repräsentativen Auswahl historischer Rezepte darstellt, seine symbolische Bedeutung aufzeigt, seine Funkton in Fest- und Brauch darstellt und seinen sozialen Ort mit Quellen belegt und darstellt wie ihn verschiede Regionen für sich mit Herkunftsgeschichten beanspruchen, um schließlich ein barockes Origialrezept zu rekonstruieren.

Gleich zwei Gugelhupfformen stehen griffbereit im Schüsselrahmen über dem Herd des Bauernhauses aus Herrnberchtheim im Fränkischen Freilandmuseum. Das geräumige Haus wurde 1772 erbaut. Seine elf Kammern und Stuben zeugen vom relativen Wohlstand seiner Bewohner. 1907–12 wurde das Haus umgebaut und die Küche vergrößert. Den gemauerten Backofen verlegte man dabei ins Zentrum des Hauses. Er ist direkt von der Küche aus zu bestücken. In dieser Küche wird bei vielen Veranstaltungen und Festen des Freilandmuseums gekocht und gebacken.

Ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert stammt das handgeschriebene „Kochbuch der Maria Riesin“ aus dem Jahr 1755, das sich in der Sammlung des Museums befindet. Im Kochbuch der Riesin sind zahlreiche Gugelhupfrezepte notiert.

Zur Erbauungszeit des Herrnberchtheimer Hofes im 18. Jahrhundert wird es auf dem Land auch in einem relativ wohlhabenden Hof wohl noch keinen Gugelhupf gegeben haben. Nur in höfischen und bürgerlichen Kochbüchern sind aus dieser Zeit Gugelhupfrezepte überliefert. Erst im 19. Jahrhundert ist der Gugelhupf als Festtagskuchen auch auf dem Land vereinzelt belegt. Im Übergabevertrag für ihren Austrag im Herrnberchtheimer Hof sichern sich die Eheleute Johann Kaspar und Kunigunde Barbara Markert im Jahr 1905 die Mitbenutzung des Backofens und bedingen sich von ihrem Sohn jährlich an Naturalleistungen aus:

„zweihundert Stück Eier zu liefern, … sechs Pfund Rindschmalz, acht Pfund Schweineschmalz; …täglich: einen Liter Milch das ganz Jahr hindurch, so oft gebuttert wird einhalb Pfund Butter“ (nach Museumshandbuch, S. 105).

Auf einem Hof, in dessen Stall sechs bis sieben Milchkühe Platz fanden, waren die Austrägler mit diesem täglichen halben Liter Milch pro Person gut versorgt. Rechnet[i] man allerdings das unten rekonstruierte Rezept für einen Gugelhupf auf die Schmalz- und Eierversorgung der zwei Herrnberchtheimer Senioren um, dann wird dafür deren vertragliche Ration an Eiern für eine ganze Woche und die an Schmalz für fast einen Monat verbraucht. Auch wenn die beiden Austrägler sich noch zusätzlich etwas erwirtschaftet haben – etwa mit eigenen Hühnern – so dürfte ein Gugelhupf ein seltener Luxus gewesen sein.

In der Küche im Bauernhaus aus Herrnberchtheim stehen zwei irdene Napfkuchenformen im Schüsselrahmen über dem Herd. Foto Margarete Meggle-Freund

Bauernhaus aus Herrnberchtheim im Fränkischen Freilandmuseum, Foto Frank Boxler

[i] (6 Pfund Schmalz = 3000 g pro Jahr für 2 Personen

3000g: 356 Tag = 2,81g pro Tag für 2 Personen

70g (in einem Gugelhupf): 2,81g/Tag = 25 Tage der Ration von 2 Personen

200 Eier jährlich für 2 Personen

200 Eier: 356 Tage = 0,56 Eier pro Tag für 2 Personen

4 Eier (in einem Gugelhupf): 0,56 Eier/Tag = 7 Tage für 2 Personen)

Gugelhupf, Kugel-Hopf, Napfkuchen, Reindling – gebacken im Topf

Gugelhupf ist ein Kuchen, der in der charakteristischen runden, hohen Kranzform mit senkrecht oder schräg verlaufenden Rippen gebacken wird. Die kaminartige Öffnung in der Mitte und die Rippen der Backform leiten die Wärme und ermöglichen ein gleichmäßiges Durchbacken des Teigs. Manche kleinere Formen verzichten auf den Kamin. Der zugehörige Kuchen ist unter verschiedenen Namen bekannt, die sich auf seine besondere Form beziehen. Im Grimmschen Wörterbuch wird auf die regional unterschiedlichen Bezeichnungen hingewiesen: Die Gugelhupf-Tradition ist vornehmlich oberdeutsch und reicht nur wenig in mitteldeutsche Gebiete hinein. Dem Gugelhupf entsprechen im Nieder- und Mitteldeutsch der Topf-, Napf-, Asch- oder Formkuchen. (Bd. 9, Spalte 1050–1051)

Die „Gugel“ ist eine mittelalterliche kapuzenartige Kopfbedeckung. Stülpt man das spitze Ende der Kapuze nach innen, so entsteht eine Form, die ähnlich wie eine Gugelhupfbackform mit ihrem Kamin aussieht. Der „zweite (Wort-)bestandteil dürfte zum verb hüpfen gehören und bezieht sich auf die infolge der hefe sich wie eine gugel hebende obere fläche des kuchens.“, erklärt Grimm. In den historischen Kochbüchern[ii] finden sich dafür ganz unterschiedliche Schreibweisen, wie z. B. „Kugelopfen oder Kugelopf“ (Riesin, 1755), „Kugel-Höpflein“ oder Kugel-Hopf“ (Schellhammer, 1697, S. 315 ff.) oder auch „Gogelhopf oder Gogelhopfen“ (Fränkisches Kochbuch, 1839, S. 464ff). Auch die mehr im Norden verbreiteten Namen wie Napfkuchen, Topfkuchen, Formkuchen bezeichnen die besondere Erscheinung eines in der Form gebackenen Kuchens. Asch und Reine meinen das Gefäß, nach denen der Kuchen auch Aschkuchen oder kärntnerisch „Reindling“ heißt.

Eines der ältesten überlieferten Rezepte eines Gugelhupfs findet sich im „New(en) Kochbuch“ des Hofkochs Max Rumpolt von 1581. In Rezept Nr. 43 empfiehlt er, Teig in einem neuen Krug zu backen und diesen hinterher zu zerschlagen: „so sihet es wie ein Krug.“ aus. Hier zeigt sich die Freude der Hofköche an der Täuschung und Überraschung. Sie wollten ihre Gäste in Staunen versetzen, mit Speisen, die in ihrer Erscheinung anders aussahen als sie von der Substanz her waren, wie beispielsweise eine gefüllte Pastete mit Federn, die einem Pfau gleicht, oder einem Kuchen, der wie ein Topf aussieht.

Schöne Formen für den Kuchen mit dem Kamin

Schon im ältesten ausdrücklich als „Gogelhopffen“ bezeichneten Rezept von 1682 empfiehlt Johann Christoph Thiemen in seinem „Haus-, Feld-, Arzney-, Koch-, Kunst- und Wunder-Buch“ ein „Kupffern Becken“ (S. 1023) zum Backen. Von diesem universalen Ratgeberwerk für Gutsbesitzer mit Kochbuch hat das Fränkische Freilandmuseum ein Exemplar in seinem Bestand. Auch in der 1697 erschienenen Sammlung „Die wol unterwiesene Köchinn“ von Maria Sophia Schellhammer findet sich unter Nr. 14 die Abbildung einer kranzförmigen Gugelhupfform. Loofts schreibt 1785, man bäckt den Kugelhopfen in „mit geriebener Semmel bestreute Forme mit einer Röhre, oder wohl in eine Melonenforme“. Eine Melonenform hat eine ovale Grundfläche und längliche Rillen, so dass der Kuchen die Form einer halben gerippten Melone erhält. Derart gebacken waren die teuren exotischen Melonen in vorgetäuschter Weise das ganze Jahr gegenwärtig. Oft ist in den Rezepten auch nur von „Dorten-Model“, „Becken oder Geschirr“ die Rede.

Frühe Abbildung einer Gugelhupfform mit Kamin in „Die wol unterwiesene Köchinn“, Braunschweig 1697.

Backform in Mathilde Ehrhardts Grossem illustriertem Kochbuch für den einfachen bürgerlichen und den feineren Tisch, Berlin 1904

Backform in Mathilde Ehrhardts Grossem illustriertem Kochbuch für den einfachen bürgerlichen und den feineren Tisch, Berlin 1904

Backform in Mathilde Ehrhardts Grossem illustriertem Kochbuch für den einfachen bürgerlichen und den feineren Tisch, Berlin 1904

Pudding- oder Gugelhupfform

Backformen aus Kupfer waren Luxusausführungen, die gerne auch die Wände zierten – zumindest in prächtigen Puppenküchen. Die Kücheninszenierungen der älteren Volkskunstmuseen mit offenem Herd und zahlreichen glänzenden Kupferformen an der Wand stellen eher ein heile Welt-Wunschbild dar als historische Realität. Im alltäglichen Gebrauch waren häufig einfachere Keramikformen zu finden. Im 19. Jahrhundert wird Emaille als Glasbeschichtung auf Metallgefäßen erfunden. Gerade die Hygienebewegung schätzte dieses gut zu reinigende Material sehr. Einfacher und billiger waren Backformen aus Blech, die allerdings rosten konnten. 1968 dokumentierte der Hausforscher Konrad Bedal in einem Bauernhaus in Fischern im Landkreis Wunsiedel einen damals schon sehr altertümlichen Sesselofen. Griffbereit hängt in der Stube einfacher Leute an der Wand hinter dem Ofen eine Gugelhupfform aus Blech über dem Herd. Heute gibt es Gugelhupfformen in allen erdenklichen Materialien: von pralinenklein bis zum Riesengugelhupf, auch in Silikon oder antihaftbeschichtetem Blech.

Dekorative Backform aus Weißblech, hergestellt 1932, Foto Margarete Meggle-Freund

In der Puppenstube aus der Zeit um 1900 glänzen prächtige kupferne Kuchenformen, Foto Horst Schröder

Eine einfache Gugelhupfform aus Blech hängt in der altertümlichen Küche mit Sesselofen in Fischern Nr 9 im Landkreis Wunsiedel, 1968, Foto Konrad Bedal

Rezeptentwicklung: Der Hefeteig aus dem feinen Mehl

Das älteste bekannte Gugelhupfrezept findet sich im 1682 erschienenen „Wunder-Buch“ (S. 1023). Hier werden für den „guten Gogelhopffen“ sechs bis acht Eier und zu gleichen Teilen Milch und Schmalz eine Stunde lang gerührt; dann wird „das Meel darein[gegeben], das beste und schönste, so man haben kan“. Nach heutiger Begrifflichkeit ist das ein Rührteig. Am Ende des Rezepts bemerkt der Herausgeber: „Dis ist ein alt-Teutsches Essen“. Damit grenzt er es wohl von französischen Rezepten ab, die in der barocken Zeit für die gehobene Küche tonangebend waren. Jedenfalls ist der Gugelhupf Ende des 17. Jahrhunderts offenbar schon lange etabliert.

Bereits in den zeitlich kurz darauf gedruckten Kochbüchern[2] ist der Gugelhupf in zahlreichen Varianten zu finden. Nun ist es fast immer aufgegangener Hefeteig, der dem Kuchen aus der Form seinen typischen runden „Fuß“ gibt. Zedler in seinem Universal-Lexicon von 1732–1754 gibt statt einer Definition eines Napfkuchens einfach ein Rezept für einen Hefeteigkuchen an. Für ihn war Napfkuchen gleichbedeutend mit einem Hefekuchen. Die dafür verwendete Hefe war ein Nebenprodukt der obergärigen Bierherstellung. Die flüssige Bierhefe ist in den Rezepten in Hohlmaßen wie „Seidl“ oder paar „Löffel voll abgewässerte weisse Hefen“ (Grunauer 1733, S. 416) bemessen. Für den Transport der Bierhefe gab es sogenannte Hefekännchen aus Zinn mit Deckel. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die spezielle Backhefe erfunden, die sich im Lauf des 19. Jahrhunderts immer mehr in der Kuchenbäckerei durchsetzte. Aus der Übergangszeit, als sowohl Bierhefe als auch so bezeichnete Kunst-, Trocken- oder Presshefe verwendet wurden, gibt es genauere Hinweise zum Umgang mit den verschiedenen Hefearten. Marie Schandri in ihrem Regensburger Kochbuch für die bürgerliche Küche von 1867 – ein Universalkochbuch, das bis ins 20. Jahrhundert viele Auflagen erlebte – rät:

„die Hefe muß, wenn es frische Bierhefe ist, mit frischem Wasser verrührt werden und durch ein Haarsieb oder Tuch gegossen werden, damit alles Unreine zurückbleibt. Hat sich die Hefe zu Boden gesetzt, wird das alte Wasser abgegossen und frisches daran gegeben. Dieses Verfahren muß zwei- bis dreimal wiederholt werden. Dadurch verliert die Hefe den bitteren Geschmack. … trockene Hefe muß mit lauwarmer Milch und etwas gestoßenem Zucker flüssig gemacht werden.“ (Schandri, Auflage 1906, S. 399).

Der Umgang mit der Backhefe war einfacher und zuverlässiger als der mit Bierhefe. Und trotzdem geben auch die Rezeptautoren im 19. Jahrhundert noch Ratschläge zum Gelingen der Teiglockerung mit der empfindlichen Hefe. Der wichtigste Ratschlag ist schon bei den frühen Rezepten, dass alle Zutaten warm sein sollten. Dazu werden manchmal die Eier in lauwarmes Wasser gelegt. Damit konnte gleichzeitig ihre Frische geprüft werden. Das Fett soll so weich sein, dass es sich gut schaumig schlagen lässt und mit den Eiern verbindet. Hyazintha Lamprecht in ihrem Kochbuch für kleinere Haushaltungen von 1895 (S. 220) rät von zu viel Hefe ab, die den Teig „großlöchrig“ mache und empfiehlt, ihn lieber länger gehen zu lassen. Für den Vorteig, das sogenannte „Hefestück“ oder „Dämpfl“ hat sie eine eigene Konstruktion, die sie sogar mit einer Abbildung anschaulich macht:

„Bei dem Hefebackwerk ist das gute aufgehen des Teiges die Hauptsache. Hat man keine sehr warme Küche, so hilft man sich gut auf folgende Weise: Man stellt einen eisernen Ständer in Höhe eines Stuhlsitzes oder einen eisernen Gartenstuhl auf den warmen Herd, stellt die Schüssel mit dem Teig darauf, bedeckt sie mit einem Tuche und man wird mit Freude sehen, wie der Teig von allen Seiten gleichmäßig in die Höhe geht.“ (Lamprecht Auflage 1912, S. 497)

Beim Gehen wird auch immer wieder empfohlen, darauf zu achten, dass der Teig keinem kalten Luftzug ausgesetzt wird. Jüngere Rezepte empfehlen deshalb, ihn ins handwarme Backrohr zu stellen. Auch ein Schuss Arak oder Rum soll in manchen Rezepten der Hefe helfen. Der Rum, in dem Rosinen oder Korinthen gerne eingeweicht werden, dient nicht nur dem guten Geschmack, sondern trägt auch zur Teiglockerung bei.

Ein Charakteristikum der Gugelhupfrezepte bleibt bis ins 19. Jahrhundert die Betonung des feinen Mehls“, das neben der Verwendung von Eiern und Schmalz den Gugelhupf zum Feingebäck – zum Kuchen macht. Eine österreichische Mühle ziert ihre Mehlverpackungen heute mit der Darstellung einer Frau, die einen Gugelhupf unter dem Schriftzug „Backtradition“ hält. Das Mehl gibt vor, so gut zu sein, dass man daraus Gugelhupf backen kann. In den historischen Rezepten ist von „schönem“ Mehl oder „feinem“ Mehl die Rede. Damit wird fein gemahlenes Auszugsmehl bezeichnet. Traditionell verwendete man Dinkelmehl für feine Backwaren. Dinkelmehl bindet mehr Feuchtigkeit als Weizenmehl und hält Gebäcke so länger frisch. Manchmal ist auch von „Mundmehl“ die Rede – feinstem Weizenmehl.

Gut wird der Hefeteig in den historischen Rezepten auch durch reichlich Fett und Eier. Johann Albrecht Grunauer führt in seinem 1733 in Nürnberg erschienenen vollständigen Kochbuch unter Nr. 22 gar „Ein schlechten Gogelhopffen“ auf. Dieser unterscheidet sich nicht wesentlich von den anderen Gugelhupfrezepten, aber enthält nur sechs Eidotter. Schlecht bedeutet hier wohl so viel wie einfach. In den meisten der historischen Gugelhupfrezepte fällt die große Menge der Eier im Teig auf, so etwa in einem Rezept im Kochbuch der Maria Riesin von 1755, in welchem 20 Eier auf ein Pfund Mehl gefordert werden. Das ist viel, aber durchaus nicht ungewöhnlich. Allerdings waren die Eier möglicherweise kleiner als heute. Eier waren in der historischen europäischen Küche das Mittel der Wahl zum Binden und Lockern aller Art von Teigen. „Gut“ machte den Teig auch reichlich Fett. Das konnte Butter sein, die entweder frisch war, oder wohl häufiger ausgelassen, als Butterschmalz haltbar und transportfähig gemacht. Üblich waren auch tierische Fette zum Backen wie Schweineschmalz oder auch Gänseschmalz.[i] Noch bis in die Nachkriegszeit, den 1940er Jahren, erzählte der Bad Windsheimer Metzgermeister Seemann, war Schweineschmalz zum Kochen und Backen sehr gefragt. Deswegen wurden Schweine besonders fett gezüchtet. In diesem Punkt haben sich die Gugelhupfrezepte verändert: Im 20. Jahrhundert ist die Zahl der Eier geringer geworden und die Menge der tierischen Fette weniger. Schmalz wird fast nicht mehr verwendet. Die Tendenz geht dahin, Teige vermehrt durch Backpulver zu lockern. Beim Gugelhupf macht allerdings die Hefe den typischen Geschmack aus.

Was uns heute selbstverständlich erscheint, jeden Kuchen mit reichlich Zucker zu süßen, kommt erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Auch Honig findet sich in den historischen Gugelhupfrezepten nicht. Bis dahin war Zucker ein Luxusgut, der als Rohrzucker eingeführt werden musste, und den feinen Leuten vorbehalten war. Er war so kostbar, dass manche edle Zuckerdose im 18. Jahrhundert verschließbar war. Der Anthropologe Sidney Mintz bringt es auf den Punkt: Zucker war „1650 eine Rarität, 1750 ein Luxusgut, [dann] wurde aus dem Zucker nach 1850 ein schlichter Bedarfsartikel.“ Die Voraussetzung dafür war, dass seit der Kontinentalsperre aus einheimischen Rüben in größerem Umfang und billig Zucker gewonnen werden konnte. Diese Entwicklung spiegelt sich in den Gugelhupfrezepten: In den älteren Backanweisungen in der adeligen Küche wird der Zucker als Gewürz verwendet, für das keine genaue Maßangabe erforderlich ist. So heißt es z. B. im Nürnbergischen Kochbuch von 1691 nur in einem der aufgeführten Rezepte, dass der Gugelhupf nach dem Erkalten mit Zucker bestreut wird. Oder Elisabetha Versoivoin schreibt 1769 in ihrem von der französischen Küche beeinflussten Rezepten vom Hefeteig mit „ein wenig Zucker“. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert geben dann Christine Riedl in ihrem weit verbreiteten Lindauer Kochbuch und Marie Schandri im ebenso gebräuchlichen Regensburger Kochbuch genaue Mengenangaben für Zucker in den Gugelhupfrezepten an. Immer noch ist aber nur von „etwas Zucker“ im Hefeteig die Rede. Die zeitgleichen Biskuitgugelhupfrezepte dagegen enthalten reichlich Zucker. Einen Höhepunkt in der Verwendung des damals billigen Nährmittels Zucker stellt bei Marie Schandri ein Rezept für einen „Englischen Kughelhupf“ (Nr. 25, Ausgabe 1906) dar, in dem Mehl, Butter und Zucker im Verhältnis eins zu eins verwendet werden. Riedl gibt in der Reihe ihrer Gugelhupfrezepte am Ende (Nr. 1518) noch ein Rezept für „Babas“. Hier wird ein Hefeteig mit extrem viel Eigelb in kleineren Gugelhupfförmchen gebacken. Als Brioche sind solche Babas heute in Frankreich beliebt. Mit Rum und Sirup getränkte gelten diese heute als Spezialität der italienischen Küchen in Neapel oder auch als arabische Süßspeise.

Variiert und veredelt werden die Gugelhupfrezepte durch Zugabe weiterer schwerer Zutaten wie Rosinen, Korinthen, Mandeln (ganz oder gemahlenen), abgeriebener Zitronenschale, Zitronat und Orangeat und verschiedenen Füllungen, wie Mandeln oder Nüsse mit Wein getränkt – und in neuerer Zeit auch fruchtige Füllungen. Doch im Wesentlichen ist das Rezept eines mittelschweren, nur leicht gesüßten Hefeteigs seit dem 17. Jahrhundert unverändert.

Gugelhupf auf der Verpackung für österreichisches Mehl, Foto Margarete Meggle-Freund

Mary Hahn empfiehlt 1912 in ihrem „Illustrierten Kochbuch für die einfache und feine Küche“ den Hefeteig zum Gehen auf einen Gartenstuhl auf den warmen Herd zu stellen.

Schmalztöpfe und Eierständer in der Vorratskammer, Foto Margarete Meggle-Freund

[2] Hier ist eine repräsentative Auswahl von 14 Kochbüchern und 1 Nachschlagewerk mit Schwerpunkt auf Süddeutschland ausgewertet, die 34 Gugelhupf- oder Napfkuchenrezepte enthalten. Dazu kommen 16 Gugelhupfrezepte im Kochbuch der Anna Maria Riesin von 1755:

Rumpolt 1581, Kuchen im Krug Nr. 43

Thiemen Wunder-Buch 1682 „Gogelhoppfen“ S. 1023

Nürnbergisches Kochbuch 1691, „Gogelhopf“ Nr. 191 – 195

Schellhammer 1697, „Kugel-Hopf“ Nr. 130 und 131

Zedler 1731, „Napfkuchen“ aus Hefeteig

Grunauer 1733, „Etliche Gogelhopffen“ Nr. 20 – 22

Versoivoin hrsg. Steuer, 1769, „Ein guter Türkischerbund“ und „Kugel Hopf“ S. 115

Loofts 1785, „Kugelhopfen auf französische Manier“ Regel 422

Rümelin 1807, „Gugelhupfen“ S. 99

Gugelhupf als Emblem der Bäckerei

Der dekorative Gugelhupfkuchen steht als Emblem für das Backen schlechthin. Ein Gugelhupfklassiker ziert das Titelbild des Lehrbuchs „Backen. Die neue grosse Schule“, erschienen in München im Jahr 2005. Bereits auf dem Buchrücken des Lindauer Kochbuches von 1895 steht ganz obenauf der Gugelhupf für die Bäckerei, neben abgehängtem Hase, Fisch und einer Köchin am Herd mit dampfendem Suppentopf für die Fleisch- und Gemüseküche. Natürlich sind wir uns ganz sicher: Auch Rotkäppchen trägt einen Gugelhupf in seinem Korb zur Großmutter, obwohl im Märchen nur vom Kuchen die Rede ist. Auch das Kinderlied „Backe, backe Kuchen“ wird häufig mit einem Gugelhupf illustriert.

Die gereimte Aufzählung der Zutaten findet sich schon um 1450 in „Maister Hannsen des von Wirtenberg Koch Kochbuch“ (zitiert nach Rose 2016):

„Wer ein guot muos wil haben
das mach von sibennler sachen
du muost haben milch, saltz und schmaltz,
zugker, ayer und mel
saffran dar zu
So wirt es gell.

Hier geht es um die Zubereitung eines „Muos“. Ein Mus ist eigentlich ein Brei. Aber das Mus ist zu dieser Zeit auch – ganz elementar – einfach eine gekochte Speise. In der neueren Form des Kindertanzliedes kommt noch der Vorgang des Backens dazu:

Backe, backe Kuchen,
der Bäcker hat gerufen.
Wer will guten Kuchen backen,
der muß haben sieben Sachen.
Eier und Schmalz, Butter und Salz,
Milch und Mehl, Safran macht den Kuchen gehl.

Damit ist der Brauch beschrieben, dass die Bäcker nach dem Backen des Brotes mit einem Horn „riefen“, um den Frauen der Nachbarschaft zu signalisieren, dass sie in der Restwärme des Ofens nun Kuchen backen konnten. Ob in Franken die Bäcker auch bliesen, wissen wir nicht. Aber die Nachwärme beim Brotbacken auszunützen, war üblich. Gerade in Unterfranken, mit geschlossenen Siedlungen, war das Backen oft gemeindlich organisiert. In der Fotosammlung Otto Beck im Bildarchiv des Fränkischen Freilandmuseums, in der er das traditionelle Leben in Mainfranken dokumentierte, finden sich dazu einige Bildbelege: Neben den Broten im Körbchen stehen Gugelhupfkuchen in Blechformen zum Aufgehen am warmen Ofen. Die Kuchen aus Hefeteig wurden in der Nachwärme des Brotbackofens gebacken. In der Gemeinde Possenheim dokumentierte Beck das „Weißbacken“ im gemeindlichen Backofen im Rathaus. Man sieht hier neben den Brotteigen in Körbchen, Reinen wohl für Rohrnudeln, eine Springform, flachen Plotz und zwei Gugelhupfformen mit Teig bereit zum Backen. „Weißbacken“ bezeichnet einerseits das Backen von Gebäck aus weißem Auszugsmehl Dinkel oder Weizen – im Gegensatz zum dunklen Roggenmehl für Brot – andererseits meint der Begriff das Backrecht von weißen Backwaren. Hier ist damit das Backen von hellen Backwaren der einzelnen Haushalte im gemeindlichen Backofen gemeint.

Ein Gugelhupf ziert das Titelbild des Lehrbuchs „Backen. Die neue grosse Schule“ München 2005.

Buchrücken des Lindauer Kochbuches von 1895 mit Gugelhupf, abgehängtem Hasen, Fisch und Geflügel und Köchin mit Suppentopf

Für das Lied „Backe backe Kuchen“ referierte der Liederforscher Franz Magnus Böhme Belege aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in seiner Sammlung zum Kinderlied, erschienen Leipzig 1897.

Kinderbuch „Backe backe Kuchen“ mit Illustrationen von Else Wenz-Viëtor o. J. [Erstaufl 1934, hier 1946]

Brote im Backkörben und Gugelhupfkuchen in Blechformen stehen zum Aufgehen am warmen Ofen, beim Schäfer Heinz Dornheim 1970, Foto Otto Beck

Brote im Backkörben und Gugelhupfkuchen in Blechformen stehen zum Aufgehen am warmen Ofen, beim Schäfer Heinz Dornheim 1970, Foto Otto Beck

„Weißbacken“ von süßen Gebäcken in der Gemeinde Possenheim 1967, Foto Otto Beck

Gugelhupf als Hochzeits- und Kirchweihkuchen

Die Rezepte für Gugelhupf in den adeligen und bürgerlichen Kochbüchern sind zahlreich. Im 19. Jahrhundert avancierte er zu d e m bürgerlichen Kaffeekuchen schlechthin. Aber war er auch auf dem Land und bei einfacheren Leuten verbreitet? Dafür gibt es keine durchgängigen Quellen, nur vereinzelte Hinweise. In den Physikatsberichten, in denen die beamteten Gerichtsärzte Mitte 19. Jahrhundert an die Regierung über den Gesundheitszustand und die Ernährung der Untertanen berichteten, ist für Unterfranken ein einziges Mal einen Gugelhupf erwähnt. Im Bericht zur Nahrungsweise aus dem Landgericht Würzburg links des Mains heißt es „Der Hefenteig in Bundform heißt „Gokeshopf“ (Kugelhupf).“ (S. 39). In einem Ratgeber zur Führung eines Gutshofes vom Ende des 18. Jahrhunderts wird der „Hausmutter“ geraten, streng auf die soziale Unterscheidung zu achten, wem es wann zusteht einen Gugelhupf zu essen:

„Dieser Napfkuchen ist zwar ein breitsamer Kuchen, er kömmt aber in guten Ländern mehrentheils nur bey Ausrichtungen, als Hochzeiten oder Kindtaufen, auf den Tisch der Bauern. Wo Aerndschmäuse gegeben werden, da ist er aber auch die Zierde des Gesindetisches.“ (Gerike, S. 167)

In Befragungen zur Sonntagskultur im evangelischen Franken zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählte eine Bauerstocher aus einem kleinen Ort in der Nähe von Pappenheim für die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts: „die Gugelhupf, wie man früher g`sagt hat, die hat man bloß an der Kirchweih backen oder am Erntfest [Erntedank]“. (Thurnwald 1997, S. 24). Sonst erzählten die Gesprächspartner von einfachem Hefeteig, Blechkuchen, Hefeklößen und bestenfalls einem Gesundheitskuchen zum sonntäglichen Kaffeetrinken. Eine andere Gewährsfrau, die aus einem Gutshof bei Langenzenn stammt, erzählt (S. 135), es wäre üblich gewesen, den Kuchen in den Kaffee einzutunken, deshalb habe das Kaffeeservice ihrer Mutter noch keine Kuchenteller gehabt. Zum Eintunken eignet sich ein Hefegugelhupf ganz hervorragend. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob er vielleicht nach einigen Tagen schon ein bisschen trocken geworden ist.

Für die Vierziger- und Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts finden sich im Bildarchiv des Fränkischen Freilandmuseums einige schöne Belege für Gugelhupf als Festtagskuchen in der Kleinstadt Aub. Der Fotograf Adam Menth dokumentiert das Leben seines Ortes. Eine ganz Reihe von Gruppenbildern zeigt Teilnehmerinnen eines Backkurses, den über Jahre immer wieder eine Ordensschwester leitete. Jede Teilnehmerin in schwarzem Kleid mit weißer Servierschürze bekleidet hält einen Kuchen ins Bild. Dabei ist immer mindestens ein Gugelhupf neben der Mehrzahl der aufwändig verzierten Torten. Die Ordensschwester vermittelte den Frauen in den Kursen bürgerliche Backkunst. Dementsprechend finden sich dann auch zahlreiche Fotos von Familienfesten in Aub, bei denen die Kuchen im Festtagsfoto ins Bild gebracht werden, wie z. B. bei einer Erstkommunionfeier. Bei Hochzeitsgruppenbildern nahm der Fotograf Adam Menth gerne traditionelle Festspeisen mit aufs Bild, die von den an den Schürzen kenntlichen Köchinnen präsentiert wurden: Hier ist es ein Gugelhupf, Schmalzgebäck und die Suppenschüssel für die Hochzeitssuppe. Manchmal sind zudem noch ein Bierkrug und Würste mit auf dem Hochzeitsgruppenbild. So war der Gugelhupf auch auf dem Land in Franken ein traditioneller Festtagskuchen.

Gruppenbild mit Kuchen zum Abschluss eines Backkurses, den eine Ordensschwester öfter in Aub hielt, ca 1953, Foto Adam Menth

Erstkommunionfeier mit Gugelhupf und Torten, Aub späte 1940er, Foto Adam Menth

Gruppenbild einer Hochzeitsgesellschaft Aub, Mitte 1950er, Foto Adam Menth

Kuchenpropaganda

Andere Regionen beanspruchen den Gugelhupf gar für sich. Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) soll seine Freundin, die Hofschauspielerin Katharina Schratt, jeden Morgen einen Gugelhupf gebacken haben. Auch dank dieser Geschichte steht der Kaiser-Gugelhupf für die Wiener Küche. Die Stadt Ribeauville im Elsaß feiert am zweiten Sonntag im Juni ihr „Kougelhopf“- oder „Kouglof“- Fest. Dort wird die Ursprungsgeschichte erzählt, die Heiligen Drei Könige hätten auf ihrem Rückweg von Bethlehem an der Elsässischen Weinstraße Station gemacht und seien zum Dank mit einem Kuchen in Form eines Turbans beschenkt worden. (https://www.elsass-netz.de/174/2009-0104/Gugelhupf-Fest-Ribeauville.html, abgerufen am 7.10.2021). Unter dem Namen „Ein guter Türkischer Bund“ gibt Elisabetha Versoivoin, die in Zweibrücken im französischen Einflussbereich lebte, in ihrem handgeschriebenen Kochbuch von 1769 ein Rezept für einen Gugelhupf. So ist „Bundkuchen“ wegen der Ähnlichkeit zu einem Turban noch ein weiterer Namen für den kranzförmigen Gugelhupf. Die schönen Geschichten machen den dekorativen Kuchen zum regionalen Schmankerl. Wer erzählt die Geschichte zum fränkischen Gugelhupf? Ein ganz neues Buch von Yvonne Bauer „Gugelhupf. Backen für die Seele“, erschienen 2021, erklärt den Gugelhupf gar zum „Soulfood“, zum Essen das glücklich macht. Der traditionelle europaweit verbreitete Kuchen bietet sich an für nostalgische Implikationen aller Art.

Ein Werberezept der Bielefelder Nährmittelfabrik schreibt den Gugelhupf Bayern zu. In der Üppigkeit der Wirtschaftswunderzeit Mitte der Fünfzigerjahre werden hier Zucker und Mehl im Verhältnis 1 zu 1 verwendet.

Gugelhupfrezept im barocken Kochbuch der Maria Riesin

Gleich sechzehn Gugelhupfrezepte und ein Rezept für eine Füllung für einen Gugelhupf finden sich im handgeschriebenen Kochbuch der Maria Riesin von 1755, welches das Fränkische Freilandmuseum vor kurzem erworben hat. Wie fast alle derartigen Kochbücher dieser Zeit kommt es den Rezepten und Zutaten nach zu schließen aus einem gehobenen wohlhabenden Umfeld.

Dreizehn der Gugelhupfrezepte sind Hefeteige; drei Rezepte führen keine Hefe auf – nur Eier und Butter – sind also wohl Rührteige. Die Standardzutaten des Hefeteigs sind Butter oder Schmalz, Kren, Eier, schönes Mehl und Bierhefe. Als besondere Zutaten kommen dazu: Salz in nur zwei Rezepten (S. 60 und S. 67), Brandwein (S. 61 u.), „Weinbern“ (S. 62 o), Rosenwasser (S. 63 u), Krebs-Butter (S. 64 u), nur drei mal Zucker (S. 62 o, S. 65 o und S. 66 u) und drei mal Zimt (S. 65 o, S. 67 und S. 66 u), „ander Gewürz“ (S. 65 o), klein gehackte Mandeln mit Wein als Fülle (S. 67) und „ein gut Theil abgeriebene Citrone“ (S. 66). Krebsbutter ist die zerstoßene Schale von Süßwasserkrebsen in Butter ausgekocht. Sie färbt stark rot. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war Krebsbutter eine übliche Zutat auch für Süßspeisen und Gebäcke. Seit dem Aussterben der Süßwasserkrebse kam sie aus der Mode. Heute erhält man Krebsbutter nur gesalzen, aus Meereskrebsen produziert als französische Spezialität. Bei den historischen Backformen aus Kupfer findet sich immer wieder einmal eine solche mit Krebsen. Vielleicht waren diese figürlichen Backformen ja für Krebs-Gugelhupf gedacht. Der „Krebs-Kugelopf“ ist auch schon der konkreteste Rezepttitel. Sonst heißt es recht ungenau in variierender Schreibweise „Kugelopfen“, „ein anderer“ und „noch ein anderer“. Oder die Überschrift „einen gefüllten Kugelopfen von Fr. Pfr. Spörlin“ verweist auf die Rezeptvermittlerin. Noch nicht alle Rezepte haben einen klaren Namen. Auch die Backform benennt Maria Riesin wenig eindeutig. Sie füllt den Teig in: „das Bek“, „das Bekn“, „den Model“, „in ein Geschirr“ oder in „den Schart“. Auch die Zubereitungsanweisungen sind meist eher vage oder fehlen manchmal ganz. Nur die Rührzeiten betont Maria Riesin gern einmal, so empfiehlt sie z. B. im ersten Rezept (S. 59) „rühr solches 5 Viertel Stund ab“. Das Nachbacken der Rezepte setzt so einiges Wissen über die Üblichkeiten voraus und lässt Freiheiten. Das Kochbuch wendet sich an die erfahrene Bäckerin und Köchin.

Rezept für einen „Abgerührten Kugelopf mit Zucker“ im Kochbuch der Maria Riesin von 1755 in der Sammlung des Fränkischen Freilandmuseums

Backform aus Kupfer mit Krebs, Ende 19. Jahrhundert, Foto Margarete Meggle-Freund

„Abgerührten Kugelopf mit Zucker“ nach einem Rezept von 1755

Hier habe ich eines der eher konkreten Rezepte ausgewählt – auch wenn die Angabe der Mehlmenge völlig fehlt. Es ist eines der wenigen Rezept mit Zucker, der auch das Charakteristikum in der Überschrift ergibt. Rosenwasser ist eine Luxuszutat. Offenbar war bei den Eiern besondere Kontrolle angesagt, wenn Maria Riesin empfiehlt, „5 ganze Eyer, die Vögelein darvon gethan“. Es konnte wohl schon einmal ein Ei angebrütet sein. Die Bierhefe ist hier durch moderne Backhefe und Bier ersetzt. Rätsel hat mir der „Kren“ aufgegeben. Alle gängigen Wörterbücher verstehen darunter Meerrettich. In einigen Kochbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts[i]  meint „Krem“ oder „Kren“ oder „Crem“ das französische Crème und kann alles von cremartiger Konsistenz wie Gelees, Schotto oder auch Sahne bedeuten. In der heutigen Bäcker-Begrifflichkeit ist der „Abgerührten Kugelopf mit Zucker“ ein mittelschwerer Hefeteig mit Fett und recht vielen Eiern. Typisch für das historische Rezept ist die Verwendung von tierischem Fett, der leichte Biergeschmack und vor allem die lange Zubereitungszeit. Das langsame Rühren und lange Gehenlassen ergibt einen sehr elastischen Teig. Nimmt man weniger Hefe und lässt dem Teig dafür längere Zeit zum Gehen, wird dieser bekömmlicher.

Im Foto sind um den Kuchen verschiedenste Backformen gruppiert: eine einfache Hafnerware aus Keramik, wie sie auch im 18. Jahrhundert schon üblich war, eine hygienische Emailform und einige prächtige Kupferformen. Sehr dekorativ macht sich der kleine Gugelhupf auf der Kuchenplatte mit Stiel aus Pressglass aus den 1930er Jahren.

„Man nimmt ¼ Pfund Schmalz, u. so viel Butter, rührt solches ½ Stund ab, alsdann nimmt man 5 Eyer Dotter, u. 5 ganze Eyer, die Vögelein darvon gethan, u. eines nach dem andern hinein gerühret, dann 1? Achtelein Kren, und 1 Sechtelein? dicke Hefen, auf die lezt 4 Lot klar gesiebten Zucker, 4 Löffel Rosen Wasser; in allen 1 ½ Stund gerührt, den Schart wol mit Butter geschmiert, nur halb gefüllt an dem Ofen gehen lassen, bis es voll ist, in ein recht heisses Öfelein gethan, alsdann das ferner hinweg, 1 Stund bachen lassen. Wann es aus dem Ofen gethan wird, muß man ihn ein wenig stehen lassen, dann er setzt sich sonst gern nieder“ (S. 63)

Originale Mengen: 140 g Schweineschmalz, 140 g Butter, 2 Esslöffel Fett für die Formen, 5 Eigelb, 5 ganz Eier, 133,5 ml Schlagsahne, 42 g (= 1 Würfel) Backhefe, 178 ml helles Bier, 70 g Rohrohrzucker, 3 Löffel Rosenwasser, 1100 g Dinkelauszugsmehl. Diese Menge ergab den großen, mittleren und kleinen Kuchen auf dem Bild.

Für eine Gugelhupfform der Höhe 12 cm und mit Durchmesser 24 cm, wie die hellgraue im Bild: 70 ml Schlagsahne, 30 g Backhefe, 35 g (nach modernen Gewohnheiten eher 60 g) Vollrohrohrzucker, 70 g Schweineschmalz, 70 g Butter, 3 Eigelb, 2 ganz Eier, 90 ml helles Bier, 1,5 Eßlöffel Rosenwasser, ca. 550 g Dinkelauszugsmehl (Type 630), 1 Esslöffel Fett für die Form und 2 Esslöffel Semmelbrösel. Alle Zutaten – besonders Fett und Eier – sollten gut zimmerwarm sein, wie in einem im Winter geheizten Wohnraum.

Zuerst einen Vorteig (= Dämpfl) ansetzen: Dazu den Vollrohrzucker vorab mahlen, damit er sich dann gleichmäßig im Teig mit den anderen Zutaten verbindet. Sahne mit zerbröselter Hefe und Zucker und 2 Esslöffel vom Mehl verrühren und gehen lassen.

Fette mit dem Rührbesen in der Küchenmaschine schaumig schlagen. Bei kleiner Umdrehung nach und nach langsam die Eier, Bier und Rosenwasser einrühren, bis eine gleichmäßige Masse entstanden ist. Das kann 20 Minuten dauern. Dann den inzwischen etwas aufgegangenen Vorteig unterarbeiten. Nun wiederum langsam mit den Knethacken das Mehl unterkneten, bis sich der Teig leicht von der Schüssel löst. Wenn er zu fest ist, noch etwas Flüssigkeit zugeben, oder wenn er zu flüssig ist, etwas Mehl.

Die Gugelhupfform dick und gründlich einfetten und mit Semmelbröseln bestreuen, damit sich der fertige Kuchen später gut aus der Form löst. Mit dem Teigschaber den Teig in die gefettete Backform halb voll einfüllen und mit vorgewärmtem Geschirrtuch abdecken. An einem leicht warmen Ort, ohne Zugluft ca. 45 bis zu 60 Minuten gehen lassen, bis der Kuchen sein Volumen etwa verdoppelt hat. Mit Backrohr bei Umluft ca. 45 Minuten bei ca. 150 Grad backen. Abkühlen lassen und dann aus der Form stürzen.

Varianten durch Zugabe weiterer Geschmackszutaten: Schale einer ungespritzten Zitrone mit der Zestenreibe fein gerieben, zusätzlich in 4 Esslöffel Rum eingeweichten Rosinen oder Korinthen, einen Esslöffel kleingehacktes Zitronat und Orangeat, 4 Esslöffel Honig, 1 halbes Fläschchen Bittermandelöl, einen Teil des Mehls durch gemahlene Mandeln ersetzen. In die Form ganze Mandeln oder Mandelblättchen streuen; den noch lauwarmen Kuchen mit gewärmtem Aprikosengelee bestreichen.

Servieren: mit Marmelade oder gekochtem Schinken mit Sahnemeerrettich, oder als Dessert in einem Spiegel aus Marmelade, dazu passendem Obstler oder Likör und etwas Fruchtsaft, z. B. Pflaumenmarmelade mit Pflaumenschnaps aus dem Freilandmuseum oder Zitronenmarmelade mit Limoncello und Orangensaft, mit Beeren garnieren.

Der Kuchen hält sich etwa zwei Tage und ist auch danach noch gut. Die historischen Kochbücher empfehlen immer wieder übrigen Gugelhupf als Schmalzgebäck weiterzuverwerten.

Gugelhupf und Gugelhupfbackformen aus Kupfer, grau gewölktem Emaile und glasierter Keramik, Kuchenplatte mit Stiel aus Pressglas, Foto Margarete Meggle-Freund

In meiner Kulinarikserie des Fränkischen  Freilandmuseum Bad Windsheim finden sich alte und erneuerte Rezepte mit Zutaten aus Franken, einfach und alltäglich, oder auch einmal aufwendigere, kreative Rezepte mit kulturhistorischem Hintergrund.

© Dr. Margarete Meggle-Freund
Kulturwissenschaftlerin
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