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Streuobst-Crumble

Eine kleine Apfelmeditation

Im Spätsommer, wenn es auf meinem Heimweg aus der Museumsverwaltung etwas stärker regnet oder stürmt, kann es auf dem Parkplatz des Fränkischen Freilandmuseums des Bezirks Mittelfranken schon einmal Äpfel regnen. Der Besucherparkplatz ist gleichzeitig als eine große Streuobstwiese angelegt. Hier gedeihen zahlreiche alte Apfel- und Zwetschgensorten. Im Frühjahr zur Zeit der Apfelblüte könnte man einen Blütenrausch in weiß und rosa bekommen. Hier – und sicher auch an vielen anderen Orten Frankens – fallen einem die Äpfel vor die Füße. Und so mancher Baum am Straßenrand verdient, dass seine Früchte geschätzt werden. Beim Markt der Genüsse am zweiten Oktoberwochenende und in den zwei Wochen danach baut der Gärtner des Fränkischen Freilandmuseums in normalen Jahren im Bauernhaus aus Unterlindelbach eine Obstsortenausstellung auf, die die Vielfalt der im Museum gepflegten alten Obstsorten des jeweiligen Jahres präsentiert. Das ist eine besondere Ausstellung im Museum, da sie nicht nur schön anzusehen ist, sondern auch noch besonders gut riecht.

Apfelentdeckungen

Im Juli beginnt die Apfelentdeckungszeit. Die ersten Falläpfel vom Sturm heruntergeweht – sind noch zu sauer, um sie roh zu essen. Aber sie ergeben ein gutes, wenn auch noch recht säuerliches Apfelkompott. Doch schon Ende Juli wird als einer der ersten Sorten der „Weiße Klarapfel“ reif. Es ist ein ganz weißer, heller Apfel, der kurz vor der Vollreife geerntet wird, weil er eine so kurze Lagerfähigkeit hat und schnell mehlig wird. Deshalb gibt es die Klaräpfel auch nicht im Supermarkt zu kaufen. Weil er einer der ersten Apfelsorten der Saison ist, ist die Freude an seinem frischen Aroma besonders groß. Ein Beispiel für eine weitere frühe Sorte ist der „Herzogin Olga Apfel“, der nahe der Ausstellungsscheune wächst. Beim Kochen zerfallen die frühen Sorten sehr schnell und man muss aufpassen, dass das Apfelkompott nicht anbrennt. Zum Glück wachsen meine Lieblingsäpfel, die Jakob Fischer Äpfel, die sowohl zum direkten Verzehr als auch zum Backen gut geeignet sind, ganz in der Nähe der Museumsverwaltung. Die großen rotbackigen Äpfel hängen an einem hoch aufwachsenden und ausladenden, ansehnlichen schönen Baum. Allerdings mögen auch die Wespen seine Früchte sehr gerne. Manche der Äpfel der vielen Bäume schmecken roh eher herb. Das sind dann meist die sehr festen, späten Sorten, die eher für die Mostherstellung geeignet sind. Doch auch sie sind für ein gemischtes Apfelkompott durchaus zu gebrauchen.

Gerade diese festen späten Apfelsorten enthalten am meisten Pektin. Äpfel eignen sich wegen ihres hohen Pektingehaltes besonders gut zum Einkochen. Pektine sind in den festen Pflanzenbestandteilen enthalten. Sie übernehmen dort eine festigende und wasserregulierende Funktion. Pektine dienen in der Küche als Binde- und Geliermittel. Die im Gelierzucker verwendeten Pektine werden unter anderem aus Apfeltrester und Orangenschalen gewonnen.

Museumsparkplatz als Streuobstwiese, Foto Ute Rauschenbach

Apfelverwertung

Bringe ich nun meine Apfelbeute nach Haus – eine bunter Apfelhaufen, ganz unterschiedlich große Früchte, manche haben die Wespen schon angeknabbert – entfaltet sich gleich der Apfelduft in der Küche. Manche der Früchte sind bewohnt. Das spricht für sie, denn Würmer „bevorzugen Bioqualität“. Bald sollten die angestoßenen Früchte verarbeitet werden!

Das Fallobst lädt nun zu einer kleinen Apfelmeditation ein. Jeder Apfel braucht eine sorgfältige Einzelfallprüfung: Nicht nur schälen und das Kernhaus entfernen steht an, sondern auch großzügig die schlechten Stellen ausschneiden. Hier ist Sorgfalt angesagt, weil faulige Stücke gesundheitsschädlich sind und das Apfelkompott schnell verderben liesen. Wie bekommt diese Tätigkeit einen guten Flow? Auf dem Arbeitsbrett werden die Früchte geschält, geviertelt, ausgeschnitten und ggf. kleingeschnitten. Der Schäler und die Messer sind gut geschärft. Es bietet sich ein Obstmesser mit einer kurzen, geschwungenen Klinge an, mit dem man besonders leicht der runden Apfelform folgen kann. Zügig arbeiten und dabei entspannt atmen ist angesagt. Meine kleine Apfelmeditation vollziehe ich in Ruhe oder ich höre dabei auch gerne Musik. Es ist auch eine gute Gelegenheit für ein nettes Gespräch. Jedenfalls ist es immer wieder spannend, die verschiedenen Sorten zu kosten. Am Ende ist die Kompostschale mit den Apfelschalen und dem Ausgeschnittenen genauso gefüllt wie der Kochtopf mit den Apfelstücken. Und der Büromensch, der den ganzen Tag vor dem Bildschirm gearbeitet hat, ist durch die Apfelmeditation wieder geerdet. Traditionell war das Apfeleinputzen eine Arbeit, die auch die Großmutter noch erledigen konnte – oft im Freien auf der Bank vor dem Haus.

Obstsortenausstellung beim Markt der Genüsse im Fränkischen Freilandmuseum, Foto Margarete Meggle-Freund

Streuobst-Crumble

Streuobst-Crumble, Foto Margarete Meggle-Freund

„Crumble“ – was im Deutschen so etwa „Krümel“ bedeutet – ist eigentlich ein Obstkuchen mit Streuseln – nur ohne Boden. Er soll in England während des zweiten Weltkriegs als preiswerte Alternative zum Kuchen erfunden worden sein. Im US-amerikanischen Raum läuft dieses Gericht auch als „Crisp“. In den 2010er-Jahren war Crumble in vielen Variationen in Deutschland in Mode. Für mich steht der Crumble für die Fülle der Ernte im Herbst. Als warmes Dessert mit dem wärmenden Zimt kann er Seelentröster gegen die kälter werdenden Tage zum Winter hin sein.

Für 4 Portionen als Nachtisch benötigt man:

für das Apfelkompott: 1 kg geschälte und geschnittene Äpfel oder anderes Streuobst (wie Zwetschgen, Birnen oder Quitten), Saft einer Zitrone, Rosinen und/oder Zucker zum Süßen nach Geschmack, 100 ml oder mehr Wasser, 1 Esslöffel Rum. Ein Kilo Äpfel ergibt etwa 700 Gramm Apfelkompott. Wenn es ganz schnell gehen soll, geht – unter Verzicht auf die Meditation – natürlich auch ein fertiges Apfelmus.

für die Streusel: 140 g Butter, ½ Teelöffel gemahlener Zimt, 1 Prise Salz, 2½ gehäufte Esslöffel Vollrohrzucker, 200 g Mehl (Das kann auch ersetzt werden durch Hafermehl und/oder gemahlene Mandeln), 40 g feinblättrige Haferflocken, 40 g Mandelblättchen

und als Extra obendrauf: 4 Kugeln Vanilleeis.

Für das Apfelkompott die Äpfel mit Zitronensaft und Wasser erhitzen, zum Kochen bringen und bei geringer Hitze etwa 15 Minuten köcheln lassen, bis die Äpfel anfangen zu zerfallen. Die Rosinen gegen Ende der Kochzeit etwas mitkochen lassen. Eventuell mit Zucker abschmecken. Das Schöne ist, dass reif vom Baum gefallenes Obst genug Fruchtsüße hat, so dass kein Zucker nötig ist.

Das Apfelkompott lässt sich auf Vorrat einkochen. Dazu werden die Blechdeckel von Twist-off-Gläsern in Wasser gekocht. Die sehr sauber gespülten Gläser mit heißem Wasser ausschwenken, dann schnell das heiße Apfelkompott bis einen halben Zentimeter unter den Rand des Glases einfüllen. Den Rand des Glases mit einem Küchentuch sauber abreiben, damit an dieser Stelle kein Schimmel entstehen kann. Den ausgekochten Deckel mit jeweils einem Esslöffel Rum ausschwenken und dann verschließen. So läuft noch etwas Rum oben auf das eingefüllte Kompott. Die befüllten Twist-Off-Gläser umgekehrt auf den Deckel auf ein feuchtes Tuch stellen und abkühlen lassen. Wenn sich die Blechdeckel etwas nach innen gezogen haben, ist wunschgemäß im Inneren des Glases ein Vakuum entstanden. Kühl, trocken und dunkel gelagert hält sich das Apfelkompott einige Monate im Glas.

Für das Crumble eine Auflaufform einfetten und Apfelkompott 2 cm hoch einfüllen. Im Backofen bei ca. 200 Grad backen. Dann die Streusel herstellen: Dafür die Butter in einem Topf schmelzen lassen; Zucker, Zimt und Salz zugeben; soviel Mehl und Haferflocken einrühren, bis große Krümel entstehen; abschließend Mandelblättchen unter die Krümel mischen. Nun werden die Streusel auf das schon vorgewärmte Apfelkompott verteilt und ca. 10 Minuten gebacken bis sie leicht hellbraun sind. Etwas abgekühlt mit Vanilleeis servieren.

In meiner Kulinarikserie des Fränkischen  Freilandmuseum Bad Windsheim finden sich alte und erneuerte Rezepte mit Zutaten aus Franken, einfach und alltäglich, oder auch einmal aufwendigere, kreative Rezepte mit kulturhistorischem Hintergrund.

© Dr. Margarete Meggle-Freund
Kulturwissenschaftlerin
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