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Weihnachtsbrezlein

Brezen als Handwerkszeichen und Stolz häuslicher Zuckerbäckerei

Im Amtshaus aus Obernbreit am Marktplatz des Museumsdorfes hängt am Fenster der Backstube eine Breze. Damit tun die Bäcker des Fränkischen Freilandmuseums des Bezirk Mittelfranken kund: Hier wird gebacken; hier gibt es frische Backwaren! Beim Backofenfest oder zu anderen Festen wird der Ofen in Betrieb genommen. Brezen sind eines der ältesten festlichen Formgebäcke auch zur Weihnachtszeit – und wurden so zum Zeichen des Bäckerhandwerks.

Amtmann und Gemeindebeck

1554 ließ sich Anton Conrad, Bauer und Mayster (Bäckermeister) dieses prächtige Haus mit seinem massiven gemauerten Untergeschoß mit der großen Tordurchfahrt und der ungewöhnlichen aufgemalten Diamantquaderung erbauen. Das Obergeschoß mit Ziergiebel und Renaissancevertäfelung in der Stube ist etwas jünger. Dieses Haus war landwirtschaftlicher Hof, mit einem Weinkeller, aber auch Amtshaus des Schultheißen mit Backstube. Im Dorf Obernbreit nahe Marktbreit herrschten komplizierte Machtverhältnisse. In Obernbreit gab es bis zu vier Grundherren. Jeder Grundherr hatte einen Schultheiß mit einem eigenen Amtshaus, der vor Ort die Herrschaft vertrat.– jeweils. Zu den Aufgaben eines Amtmannes gehörte in Ausübung seiner obrigkeitlichen Rechte auch das Amt des „Heimbecken“ (des Gemeindebäckers).

Der Museumsarchivar, Ralf Rossmeissl, hat im Gemeindearchiv von Obernbreit einen „Haimbecken Ayd“ von 1561 gefunden:

„ein Haimbeck soll dem Burgmaystern geloben, unnd …zue Gott den Almechtigen schwören …
das er guts gerechts brod, unnd kaufmans gud backen wöll,
unnd soll ein Laib aufgebackens brods zehen pfunde wol weg,
unnd soll ein gantze gemein Arm und Reich bey gemeltem Becken Backn, …
und soll ein ieglicher Haimbeck das Aygenfeuer mit iii . . glud verburgn.
Soll auch einer iedem zue einem achtl Back melbs vier pfunde: und zu zwaien metzn zway pfund guts hefyl daichs geben, …
auch dem herd im gemeins backofen, uff sein Cost, so offen ers bedurffen wuerd, schlohen machen und bestreichen lassen. …
hinfuhro die 2 lezten Weiber, so den Teig Ins Beckenhauß bringen, bey denselben bleiben sollen, biß …. die Laib In Offen eingeschossen (Saalbuch Gemeinde Obernbreit im Gemeindearchiv folio 12b, 13)“

Das „gerechte Brot“ ist eine Angelegenheit der Obrigkeit – gelobt vor Gott. Der Gemeidebäcker soll für alle – für Arme und für Reiche – backen. Er sichert eine Grundversorgung. Zu ihm kommen auch die „Weiber“, die backen lassen. So gab es eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Die Bäckerhandwerker waren Männer. Die häusliche Backarbeit war wohl Frauensache. Eine wichtige Aufgabe des Bäckers ist im dicht bebauten Obernbreit auch der Brandschutz. Der Bäcker muss den Ofen warten und die Glut hüten. Auch sein Sortiment ist im Eid genannt: ein Laib zu 10 Pfund, eine Achtel Back zu 4 Pfund und 2 Pfund guter Hefenteig. Der Gemeindebäcker soll vor allem Brot in verschiedenen Größen backen. Noch heute betrachten fränkische Traditionsbäcker den Zehnpfünder-Brotlaib als Statement.

Amtshaus aus Obernbreit mit Backstube im Erdgeschoß im Fränkischen Freilichtmuseum, Foto Frank Boxler

Hier gibt es frische Backwaren! Als Zeichen dafür hängt eine Brezel am Backstubenfenster, Foto Margarete Meggle-Freund

Brezen als Handwerkszeichen der Bäcker

Am Amtshaus aus Obernbreit, das im Freilandmuseum wiederaufgebaut wurde, hat sich leider kein Bäckerzeichen erhalten. Aber im Bildarchiv des Museums finden sich zwei Fotografien von Bäckerzeichen aus Obernbreit aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Das Bäckerzeichen aus dem 18. Jahrhundert ist vom Fürstenhut des Markgrafen von Ansbach bekrönt. Beide Bäckerzeichen zeigen neben Doppelweck und Brotlaib vor allem dekorative Brezen. Auch ein sehr archaisch anmutender Backtrog, der im Museumshaus aus Höfstetten aufgestellt ist, ist mit Doppelweck, Breze und Brotlaib in Reliefschnitzerei verziert. Schon seit dem Mittelalter wird die Breze als Bäcker- und Zunft-Zeichen eingesetzt.

Bäckerzeichen mit Breze, Doppelweck und Brotlaib aus Obernbreit, 1846, Foto Karl Sigismund Kramer 1957 im Bildarchiv des Fränkischen Freilandmuseums

Bäckerzeichen mit Breze und Doppelweck aus Obernbreit, 18. Jahrhundert, Foto Karl Sigismund Kramer 1957 im Bildarchiv des Fränkischen Freilandmuseums

Fastenbrezen und Neujahrsbrezen – Brezen für besondere Anlässe

Neben dem Brotgeschäft waren Brezen Produkte der Bäcker für besondere Anlässe. Der Name Breze geht auf das lateinisch brachium („der Arm“; für das Aussehen von verschränkten Armen) zurück. Brezen wurden zu besonderen Anlässen gebacken. Belegt sind in Oberfranken, aber auch in Schwaben oder Österreich sogenannte „Fastenbrezen“. Bei Fastenbrezen wird auf Butter und Eier verzichtet; oft sind sie mit Anis gewürzt. Im Mittelfranken oder z. B. auch in Lohr am Main verkaufen die Bäcker am Jahresanfang große, süße Hefeteigbrezen als Neujahrsbrezen. Das waren klassisch Geschenke der Paten an ihre Patenkinder. Aber auch Nikolaus- oder Weihnachtsbrezen sind belegt. In Oberösterreich hängen Brezen mitunter am Christbaum.

Kind mit Neujahrsbreze oder -kringel vor Christbaum in Aub, Foto Adam Menth 1940er im Bildarchiv des Fränkischen Freilandmuseums

Brezelrezepte in der häuslichen Bäckerei

Auch in der häuslichen Bäckerei finden sich Brezen. Brezen als kleinere Feingebäcke finden sich seit dem 16. Jahrhundert in Kochbüchern. Max Rumpolt gibt in seinem 1581 gedruckten „New Kochbuch“ in der Rubrik „Von allerley Gebackens“ dieses Rezept für Anisbrezlein:

„55. Nimb ein schönes Mehl lauter Eyerdotter und ein wenig Wein, Zucker und Aniß, mach ein Teig damit an, walg jn fein länglicht und rundt, mit saubern Händen und mach kleine Bretzel darauß, scheubs in ein warmen Ofen und backs, daß du es nit verbrennest, sondern fein außtrucknet, so werden sie auch mürb und gut. Du magst auch Zimmet darvnter nemmen oder nicht. Und man nennet es Precedella.“

Man könnte sich vorstellen, dass die Frau Amtmännin mit ihrem nahen Zugang zu einem professionellen Backofen zu besonderen Anlässen solche Anisbrezen gebacken hat. Sie hatte ja auch eigenen Wein im Keller.

Der Teig ist erstaunlich elastisch und lässt sich ohne Ruhezeit formen. Er erinnert an Gebäcke, die es heute in Süditalien (Ciambelline, Taralli) oder Spanien (Tortas de Aceite) gibt. Mit ihrer nur leichten Süße passen diese Anisbrezlein hervorragend zu Wein. Die südländischen Rezepte enthalten meist etwas Olivenöl, das im 16. Jahrhundert wohl noch nicht so leicht verfügbar war, aber das Aroma noch steigert.

Das „Vollständige Nürnbergische Koch-Buch“, 1691 in Nürnberg erschienen, das auch Rezepte aus nicht professionellen Küchen aufführt, nennt in der Rubrik „Zucker- oder Quitten-Werk“ Grengeln (Kringel) oder Bretzeln, die mit grobem Zucker bestreut werden.

Ebenfalls mürbe Brezeln mit grobem Zucker bestreut als „Nr. 373 Brezel (sehr gut)“ finden sich im handgeschriebenen Kochbuch von Käthchen Brehm, das diese 1899 an der Nürnberger Frauen-Arbeits- und Kochschule angelegt hat und das heute in der Sammlung des Fränkischen Freilandmuseums aufbewahrt wird. Das originale Rezept ist für alle, die es gern süß mögen. Leicht modernisiert mit weniger Zucker, gröberem Dinkelmehl und mehr Butter ist das Rezept auch 2020 noch aktuell.

Die historischen Brezlein serviere ich mit einer Backschaufel aus den 1930er Jahren. Mit den Einkerbungen am Stiel hat sie noch die Form, wie sie die Kleineisenindustrie im 19. Jahrhundert produzierte, ist aber schon aus dem damals neuen, nicht rostenden Spezialstahl „Cromargan“ hergestellt.

Hölzerner Backtrog, wohl 17(?)58, aufgestellt im Bauernhaus aus Höfstetten im Fränkischen Freilandmuseum, vorne sind neben einem Monogramm und Jahreszahl die Produkte des Bäckers Doppelweck, Breze und Brotlaib im Relief geschnitzt.

Anisbrezlein nach Max Rumpolt, 1581:

Zuckerbrezlein (Rezept der Nürnberger Frauenkochschule, 1899):

Zimtbrezlein (Variante der Zuckerbrezen mit Ökotouch, 2020):

Weihnachtsbrezlein als Anisbrezlein, Foto Margarete Meggle-Freund

Teig: für ein großes Blech benötigt man 200g Mehl, 40g Zucker, 3 Eidotter, 6 Esslöffel Weißwein, 1 Teelöffel ganzer Anis,
Dekor: 1 Eigelb zum Bestreichen und 1Tel ganzer Anis

Alle Zutaten zu einem geschmeidigen Teig verkneten, Brezen formen, bei 150 Grad etwa 25 Minuten backen.

Weihnachtsbrezlein als Zuckerbrezlein, Foto Margarete Meggle-Freund

Teig: für je 3 Backbleche benötigt man 500g Mehl, 200g Zucker, 100g kalte Butter, 2 Eier, 4 – 6 Esslöffel Milch, 1 Vanillezucker,
Dekor: Eigelb zum Bestreichen und Hagelzucker

Alle Zutaten zu einem glatten Mürbteig verkneten. Der Teig muss sich von der Schüssel lösen; sonst noch Mehl zugeben. Den Teig zu einer kühlschrankbreiten Rolle formen und in Backpapier eingewickelt im Kühlschrank mehrere Stunden oder über Nacht kaltstellen.

Von der Teigrolle gleichgroße Scheiben abschneiden, damit die Brezen etwas gleich groß werden. Diese zu bleistiftdicken Rollen formen und einfache Brezen legen. Mit Eigelb oder Kaffeesahne bestreichen und in Hagelzucker oder gehackte Haselnüsse tauchen. Bei 150 Grad etwa 25 Minuten backen.

Wenn man die Brezlein einige Tage in einer Blechdose an einem kühlen Ort aufbewahrt, können sie noch Luftfeuchtigkeit aufnehmen und werden mürber.

Weihnachtsbrezlein als Zimtbrezlein, Foto Margarete Meggle-Freund

Teig: für je 3 Backbleche benötigt man 500g Dinkelmehl (1060er), 240g kalte Butter, 2 Eier, 80g Mascobadovollrohr-Zucker, 1 Prise Salz, 1 Vanillezucker, 1 Teelöffel gemahlener Zimt,
Dekor: Kaffeesahne zum Bestreichen und gehackte Haselnüsse

Alle Zutaten zu einem glatten Mürbteig verkneten. Der Teig muss sich von der Schüssel lösen; sonst noch Mehl zugeben. Den Teig zu einer kühlschrankbreiten Rolle formen und in Backpapier eingewickelt im Kühlschrank mehrere Stunden oder über Nacht kaltstellen.

Von der Teigrolle gleichgroße Scheiben abschneiden, damit die Brezen etwas gleich groß werden. Diese zu bleistiftdicken Rollen formen und einfache Brezen legen. Mit Eigelb oder Kaffeesahne bestreichen und in Hagelzucker oder gehackte Haselnüsse tauchen. Bei 150 Grad etwa 25 Minuten backen.

Wenn man die Brezlein einige Tage in einer Blechdose an einem kühlen Ort aufbewahrt, können sie noch Luftfeuchtigkeit aufnehmen und werden mürber.

In meiner Kulinarikserie des Fränkischen  Freilandmuseum Bad Windsheim finden sich alte und erneuerte Rezepte mit Zutaten aus Franken, einfach und alltäglich, oder auch einmal aufwendigere, kreative Rezepte mit kulturhistorischem Hintergrund.

© Dr. Margarete Meggle-Freund
Kulturwissenschaftlerin
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