Unsere virtuelle Ausstellung “Im Gewand der Gegenwart” zeigt Kleidungsstücke und Accessoires, die wir in unserem Umfeld beobachtet haben. Wir interpretieren sie als Zeichen unserer Zeit. Spannend ist dabei die Frage, welche Aussagen in ihnen zu finden sind, genauso aber auch die Frage, welche Aussagen in ihnen nicht zu finden sind.
Ob Pumps, Bikini, Taillengürtel oder Handtasche, sie alle zeigen die Lust der Damenwelt an Mode und betonen die Weiblichkeit. Die Pumps erscheinen als geliebtes feminines Stilmittel. Die Handtasche dient nicht nur als schicker Begleiter, sondern auch als organisatorisches Hilfsmittel der modernen, selbstständigen Frau. Bei der Betonung der Taille mit einem Gürtel fragen wir: Inszeniert der Gürtel Frauen als zerbrechliche Wesen oder zeigen sie sich damit vielmehr besonders selbst- und körperbewusst? Der Bikini betont den nackten Körper durch Verhüllen. Dabei scheinen nahezu alle Hüllen zu fallen, da stellt sich die Frage: Hat Nacktheit heute eine neue Bedeutung gewonnen?
Mode als Zeichensystem kann vom Träger eines Kleidungsstücks aus oder vom Objekt her gelesen werden − und das in seinen wechselnden Gebrauchskontexten. Wir sind für das optische Medium Ausstellung erst einmal von den Gegenständen ausgegangen. Dabei kommen in jedem Objekt mehrere Bedeutungsebenen zusammen:
“Samba” etwa ist ein Sportschuhmodell, dem durch die Geschichte seines Gebrauchs, in der es zum “Klassiker” aufstieg, Authentizität zugeschrieben wird. Welche Aussage aber trifft der einzelne Träger dieses Schuhs? Ähnlich das Prinzip Second Hand, bei dem Teile aus früheren Moden zum Ausdruck eigener Individualität wieder aufgegriffen werden. Mit einem Band-Shirt kann sich der Träger als Fan einer bestimmten Musikgruppe outen, es aber einfach auch nur als modisches Bekleidungsstück tragen. Dabei bleibt sein Träger doch immer echt und kann mit den Aussagen seiner Kleidung spielen. Die Baseballkappe kann Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Jugendkultur der Skater sein oder von ihrem Träger auch nur auf ihre ursprüngliche Funktion des Sonnenschutzes beschränkt werden. Der Kapuzenpulli im Hip-Hop erfährt eine ganz andere Wende. Heute versteckt man sich mehr hinter der Symbolkraft des Kleidungsstückes, die es erlangte, als es noch Streetweare im kleinkriminellen Milieu war, als selbst diesem Symbol zu entsprechen.
Jede Entwicklung hat einen Gegentrend: Ist nicht jede Mode im Entstehen schon wieder unmodern? Trägt nicht jeder Trend auch schon seinen Gegentrend in sich? Aktuell trägt die breite Mehrheit Röhrenjeans, obwohl nicht alle dafür gebaut sind, sie unbequem sind und nicht einfach zu kombinieren. Crocs dagegen sind bequem, aber kaum getragen, obwohl sie genauso das Potenzial zur Provokation haben. Ein weiterer bequemer Schuh steht besser da. Der Sneaker hat sich vom Sport zum Lifestyle-Stück etabliert, und es bleibt dem (Anzug-)Träger überlassen, inwiefern er provozieren möchte.
Johanna Wagner
Tina Witzig