Die Beiträge unserer virtuellen Ausstellung “Im Gewand der Gegenwart” betrachten Kleidungsphänomene als Indizien für unsere Zeit. Es gibt viele mögliche Zugänge in der Kleidungsforschung. Wir sind vom Sichtbaren ausgegangen. Zum einen betrachten wir aktuelle Trends, also das was gerade viel beachtet wird, und deshalb besonders bezeichnend erscheint. Zum anderen befassen sich einige Beiträge mit dem, was kaum mehr beachtet wird, weil es alle haben und für alle unverzichtbar ist und damit den Status von “Basics” oder “Klassikern” erreicht hat.
Modetrends laufen in unterschiedliche Richtungen: Bevorzugt Hollywoodstars propagieren Kleidungsstücke wie den Bikini, den Pumps oder die Röhrenjeans, die dann von der Modeindustrie aufgriffen werden und später von breiten Bevölkerungsschichten getragen werden.
Die Mode der Röhrenjeans ist gleichzeitig ein Beispiel für die gegenläufige Verbreitungsrichtung von unteren sozialen Schichten nach oben zu höheren sozialen Schichten. Wie auch die Sneakers, der Kapuzenpulli oder die Baseballkappe wurden die Röhrenjeans zuerst von Jugendlichen Subkulturen für sich als Gruppenabzeichen aufgegriffen und dann von Stars der Hip-Hop-Szene bekannt gemacht. Die Stars brachten damit Funktionskleidungsstücken wie Sportschuhen in den Rang von Kultobjekten, welche die Mode aufgriff. Diese verbreiteten sich bald massenhaft. Dabei veränderte sich auch die ihnen zugeschriebene Bedeutung. So ist etwa die Baseballkappe inzwischen nicht mehr nur Kennzeichen eines Skaters, sondern einfach ein Sonnenschutz für alle Generationen mit lässigem Touch.
Es fällt auf, dass fast alle unsere Trend-Beispiele ihren Ursprung im Bereich Freizeit/Sport und Jugendkultur haben und über Musik vermittelt wurden. Damit sind diese Trends auch Belege für die allgemeine Entwicklung der Modegeschichte seit 1968. Heute ist nicht mehr die Erwachsenenmode − wie noch im Beispiel der Pumps von Marilyn Monroe − tonangebend für die allgemeine Mode, sondern Jugendlichkeit ist zum allgemeinen Leitbild geworden.
Einen besonderen Einfluss in diesem Vermittlungsprozess haben die Medien. Das Beispiel des Band-Shirts reflektiert diesen Einfluss doppelt deutlich: Die Begeisterung für einzelnen Bands, deren Mitglieder oft Band-Shirts tragen, wird medial vermittel. Gleichzeitig ist das Band-Shirt selbst ein Medium, das seine Botschaft mit der Aufschrift explizit nach außen trägt.
Das Auf und Ab der Trends wird befördert durch die vielen, die sich ihnen anschließen. Genauso aber wird es gefördert durch diejenigen, die sich davon absetzen und so wieder das Potential für neue Trends schaffen. Dabei greifen manche auf frühere Trends zurück und erneuern diese. So kann es ein Mittel der persönlichen Selbstdarstellung sein, bereits getragene Kleidung vergangener Jahrzehnte wieder aufzugreifen. Diverse Kleidungsstücke oder Accessoires, die unsere Eltern in ihrer Jugend getragen haben, können wir heute wieder vom Dachboden holen und verwenden, was die Second-Hand-Manie, mit dem Beispiel eines reaktivierten Ledermantels, beweist. Auch solches Revival greift die Modeindustrie auf, z.B. legt Adidas heute das Sportschuhmodell “Samba” von 1962 wieder auf. “Samba” gibt dem Träger einerseits das Gefühl von Qualität und andererseits aber vermittelt es ebenso ein gewisses Gefühl von Originalität und Authentizität.
Das Schöne am Spiel der Mode ist, dass sich Modeerscheinungen immer konträr gegenüberstehen und sich aus einem Trend immer auch ein Gegentrend entwickelt. Somit wird die Auswahl im Kleiderschrank für alle größer, die nicht jeden Trend mitmachen können und wollen. Es bleibt einem selbst überlassen, auf welche Alternative man gerne zurückgreift.
Zu Indikatoren für die Gegenwart können uns ebenso Kleidungsstücke, wie z.B. Sneaker, Jeans, Pumps, aber auch Accessoires wie die Handtaschen werden, welche in allen Gesellschaftsschichten und von allen getragen werden. Dabei wird ihr ursprünglicher Symbolgehalt heute weniger beachtet oder hat sich verändert. Kleidung kann auch ungefragt und unreflektiert einfach nur aus Trendgründen getragen werden. Band-Shirt etwa werden inzwischen als Massenware von Billigmodeketten vertrieben. Sie müssen nicht mehr unbedingt einen persönlichen Musikgeschmack ausdrücken, sondern sind oft nur mehr Ausdruck des allgemeinen Modegeschmacks.
Aussagekräftig ist nicht nur die Veränderung des Designs, sondern auch die Art des Tragens verschiedener immer klassisch aktueller Kleidungsstücke, wie etwa die Pumps oder der Bikini. Beide Stücke betonen die Weiblichkeit, genauso wie der trendige Taillengürtel und die Handtasche, ohne die eine Frau heute nicht mehr auskommen kann und will. Ob man nun die Prioritäten in den Trend oder in die Individualität setzt, ist jedem selbst überlassen.
Viele unserer Ausstellungsobjekte präsentieren aktuelle Modeerscheinungen. Aber “oft trügt der Schein”; in der nächsten Saison kann sich schon wieder alles geändert haben, denn die Mode ist nicht nur wiederkehrend, sondern auch wandlungsfähig. Sie ist in allen Bereichen konträr. Daraus können wir schließen, dass man nie etwas noch Tragbares wegwerfen sollte, denn wer weiß schon, wen man später damit glücklich machen kann.
Mode unterwirft sich heute keiner Grenze mehr - Mode macht einfach Spaß!
Natalie Steck